Marcela Zemanová

Der kleine Hamlet oder vielleicht sogar der Graf von RUdolstadt? Über den inneren Kampf des jungen Franz Graf von Thun-Hohenstein (1809–1870)

S. 209–219 (tschechisch), 221 (deutsch)

Der Erstgeborene zu sein, hat nicht nur in einer aristokratischen Gesellschaft eine große Verpflichtung gegenüber der Familie, den Vorfahren und Nachfahren, aber auch gegenüber sich selbst mit sich gebracht. An den ältesten Sohn wurden oft hohe und strenge Ansprüche und Anforderungen in Bezug auf seine Bildung, Karriere und Verehelichung gestellt. Franz Graf von Thun-Hohenstein (1809-1870) ist ins historische Gedächtnis vor allem als Aristokrat eingegangen, der durch seine Mesalliance mit dem Kammermädchen Magdalena König alle Erwartungen seiner Familie enttäuscht hat. Es handelte sich bei ihm jedoch um keinen jugendlichen Leichtsinn in emotionaler Verwirrung, seine Mesalliance war ein lang überlegter Schritt, der Höhepunkt und das letzlich auslösende Moment eines langjährigen inneren Kampfes eines jungen Mannes, der sich vor allem im Generationen- und persönlichen Konflikt mit seinem Vater Franz Anton (I.) Graf von Thun-Hohenstein manifestierte. Dieser Konflikt bestand darin, dass Franz von Thun zwischen dem, was von ihm erwartet wurde, zu dem er erzogen wurde, und dem, was er selbst wünschte, zwischen einer familiären Bindung aufgrund seiner privilegierten Position und seiner eigenen Individualität schwankte. Sein mehrjähriger Aufenthalt im Ausland hat das Zerwürfnis nur noch vertieft und sich auch im Gefühl- und Liebesleben des jungen Grafen ausgewirkt, als er auch hier auf Standes- und Gesellschaftsbarrieren im Gegensatz zu seinen eigenen Gefühlen und Präferenzen gestoßen war. Seine größte Enttäuschung hat er in seiner Beziehung zur englischen Opernsängerin Adelaide Kemble erlebt; ihre gegenseitige Liebe war bei der Familie unerwünscht, die Vermählung unmöglich. Vielleicht wurde ihre Liebe zumindest in der schönen Literatur erfüllt: Man kann vermuten, dass Franz von Thun und Adelaide Kemble die Inspiration zu einer Handlungslinie im Roman von George Sand Consuelo geliefert haben, in der sich eine junge Sängerin in einen romantisch zerrissenen Grafen irgendwo in Böhmen verliebt. Franz von Thun hat sich in seinem Schmerz beim Kammermädchen seiner Mutter, Magdalena König, getröstet. Aus der langjährigen Beziehung gingen zwei uneheliche Söhne hervor, deretwegen sich Thun schließlich zur Legitimierung der Beziehung entschlossen hat. Mit dieser Mesalliance ist jedoch der Konflikt zwischen ihm und seinem Vater eskaliert. Er verlor zwar die Möglichkeit, das Familienfideikomiss zu übernehmen, konnte aber seine eigene Karriere aufbauen.

Schlüsselworte: Franz Graf von Thun-Hohenstein – Mesalliance – Familienpflicht – Familienkonflikt

 

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