Martin Franc

Wie eine Giraffe schmeckt, oder: Fremdes und Exotisches in der gastronomischen Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Habsburger Monarchie

257–265 (tschechisch), Resumé S. 266 (deutsch)
Die Frage des Fremden und Exotischen steht in der Gastronomie in engem Zusammenhang mit dem Problem der Nationalspeisen. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts würde man freilich ein geschlossenes Ganzes, das man als tschechische nationale Küche bezeichnen könnte, nur schwerlich festmachen. Eher kann man von einem süddeutsch-österreichisch-böhmischen Gebiet sprechen, in dessen kulinarisches System Speisen aus anderen Gegenden integriert wurden. Der in nationale Küchen mündende Differenzierungsprozess begann im 19. Jahrhundert erst. Und doch gab es Elemente, die von zeitgenössischen Autoren als ausdrücklich fremd oder exotisch wahrgenommen wurden. Das betrifft zum einen den hohen Verbrauch von aus Übersee importierten Gewürzen. Ihre übermäßige Verwendung wurde allerdings auch als zeitlich fremd, nämlich als etwas Überlebtes, als Archaismus empfunden. Als exotisch empfand man darüber hinaus die Verwendung anderer aus Übersee importierter Ingredienzien wie etwa die sog. Schwalbennester oder Atchia (Achia), also ein Genussmittel aus Bambussprossen. Besonders auffällig ist die Verwendung solcher Zutaten in der Pražská kuchařka (Prager Kochbuch, 1823). In diesem Fall darf man schon an der praktischen Brauchbarkeit dieser Rezepte in Mitteleuropa zweifeln. In einer anderen Textsorte der zeitgenössischen gastronomischen Literatur machte sich das Exotische noch stärker bemerkbar: in den sog. Appetitlexika. Diese informierten den Lesern über Genussmittel, die er im normalen Leben praktisch nie kosten konnte. Aus dieser Sicht wird die Ernährung zu einem unverbindlichen Thema der Konversation, dem exotische Elemente eine phantastische Note virtueller Realität verleihen. Sie betonen deren Losgelöstheit von den üblichen Problemen noch zusätzlich. Das gilt für viele Diskussionen über das Essen bis auf den heutigen Tag.
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