Jana Laslavíková

Musen unterwegs: Der Theaterdirektor Emanuel Raul und sein Wirken in Karlsbad, Pressburg und Temeswar am Ende des 19. Jahrhunderts

S. 287–298 (tschechisch), 298–299 (deutsch)

Die Entwicklung der modernen Gesellschaft, deren typisches Merkmal die Erweiterung der Mittelschicht mit steigendem verfügbaren Einkommen und einem wachsenden Ausmaß an Freizeit war, hat für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung zu einem Aufschwung verschiedener Formen des Reisens und Tourismus geführt. Dank Eisenbahn und Schifffahrt ist eine erhöhte Mobilität bzw. eine beschleunigte Migrationshäufigkeit auch bei Theaterdirektoren und ihren künstlerischen Ensembles zu beobachten, womit die Reisen von Künstlern in die entlegensten Gebiete der Welt zur Vernetzung und gegenseitigen Verbindungen des Repertoires sowie der Theatertechnik beigetragen haben. Eine ähnliche Bewegung hat auch in der Provinz (also außerhalb der Hauptstadt) im deutschsprachigen Kulturraum stattgefunden, wo in mehreren Städten führende Künstlerpersönlichkeiten an der Spitze der Theater gestanden sind. Ein interessantes Beispiel für die Mobilität zwischen den Grenzstädten der österreichisch-ungarischen Monarchie als Folge des Theaterbetriebs ist das Wirken des aus Boskovice bei Brünn stammenden Theaterdirektors Emanuel Raul (1843-1916), der am Ende des 19. Jahrhundert gleichzeitig drei Stadttheater - in Pressburg, Temeswar und Karlsbad - geleitet hat. Raul hat als Sänger in verschiedenen österreichischen Provinztheatern begonnen, später ein eigenes Ensemble von Schauspielern und Sängern gegründet, mit dem er paradoxerweise in den ungarischen Städten Pressburg und Temeswar größere Erfolge erzielt hat als in Olomouc/Olmütz oder Liberec/Reichenberg. Deutsche Lokalzeitungen haben seine Arbeit kritisiert und vor der Gemeinde hat er nicht die nötige Unterstützung erhalten, was letztlich zu finanziellen Problemen und seinem vorzeitigen Abzug geführt hat. Im Sommer 1880 kam er zum ersten Mal nach Karlsbad: Er hat im ersten, im Jahre 1788 gebauten Stadttheater begonnen, im Jahr 1886 wurde er Pächter des neuen Theaters. Im Jahr 1890 hat er gleichzeitig die abwechselnd von deutschsprachigen und ungarischen Direktoren geleiteten Stadttheater in Pressburg und Temeswar gepachtet. Dank seiner erfolgreichen Geschäfte in Ungarn konnte es sich Raul 1894 in Karlsbad leisten, 16.000 Gulden für die jährliche Pacht des Theaters zu bieten, was die Angebote anderer Interessenten für das Theater bei weitem überstiegen hat. Die Kostenaufwände für die lange Reise von Pressburg nach Temeswar und von dort nach Karlsbad innerhalb eines Kalenderjahres haben sich als rentabel erwiesen. Außer der finanziellen Stabilität hat sich Raul einen guten Namen und langfristiges Vertrauen bei der Karlsbader Gemeinde erworben. Der Schlüssel zu seinen Erfolgen waren sowohl gut einstudierte Opern- und Operettenaufführungen als auch Kontakte zu führenden Mitgliedern des Stadtrats. In Pressburg, wo er sich auch gute Beziehungen zu den Besitzern deutschsprachiger Zeitungen aufgebaut hat, hat sich seine Gruppe als „heimatliche" bezeichnet. In Temeswar wurden seine Opernvorstellunen geschätzt und das Theater war oft ausverkauft. Der Mut, als Unternehmer bis an die südwestliche Grenze der Monarchie zu reisen, hat ihm nicht nur finanziellen Gewinn gebracht, sondern auch moralischen Erfolg, denn in der Zeit der starken Magyarisierung konnte er mit dem von der Stadt subventionierten ungarischen Theater konkurrieren und auch dort erfolgreich werden, wo ansonsten die ungarische Muse herrschte.

Schlüsselwörter: deutschsprachiges Theater - Stadttheater - Pressburg - Temswar - Karlsbad - Theaterdirektoren und -pächter - wandernde Theatertruppen

 

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