Ladislav Futtera

Da der Teufel entsann den Eisenbahnverkehr – gibt es keine Fuhrleute mehr. Fuhrleute und ihre Welt in der tschechischen Literatur am Ende des „langen“ 19. Jahrhunderts

S. 271–281 (tschechisch), 283 (deutsch)

Der Bau eines Netzes der wichtigsten Eisenbahnlinien in den böhmischen Ländern an der Wende der 1860er und 1870er Jahre hat zum Untergang der mit Fuhrwerken betriebenen Ferngütertransporte auf der Straße geführt. Gleichzeitig hat das literarische Bild dieses Berufs seine Gestalt in den Werken jener Schriftsteller angenommen, die sich zur Poetik des Realimus bekannt haben. In den Prosatexten, die zwischen den 80er Jahren des 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurden, dominierte ein unter dem Eindruck des Untergangs dieses Berufs nostalgisch-idyllisch konstruiertes Bild der Figur des Fuhrmanns; in der tschechischen Literatur nachweisbar bis zur Erzählung von Božena Němcová Dobrý člověk (Ein guter Mensch) aus dem Jahr 1858. Mit Hilfe romantisierender Klischees und Topoi wurden die Fuhrleute als Vertreter einer spezifischen Subkultur mit definiertem sozialen und kulturellen Raum (Straßen und Gasthäuser) und Verhaltensmustern (aufrichtige Kernigkeit, Rechtschaffenheit...) dargestellt. Dadurch haben sich die Fuhrleute von den durch Amtspflichten eingeschränkten Postillionen und den auf Gewinnkapitalisierung ausgerichteten städtischen Spediteuren unterschieden. Fuhrleute haben die soziale Kommunikation zwischen ländlichen und städtischen Umgebungen erleichtert; ein wesentlicher Teil der analysierten Texte verortet sie allerdings in der Nähe der ländlichen bäuerlichen Umgebung, aus der sie hervorgegangen sind und in die sie wieder integriert werden konnten. Die fiktionalen Welten in Prosawerken hingegen betonen die Barriere zum städtischen Umfeld, die eine (in der realen Welt übliche) Transformierung des Berufs der Fuhrleute in das Speditionswesen unmöglich macht. Die negativen Facetten des Bildes eines Fuhrmanns, das in der Prosa von Karel Klostermann oder Jindřich Šimon Baar präsent ist, sind durch Ängste vor der Entwurzelung, dem Verlust der auch mystisch verstandenen Beziehung zum Boden motiviert, die diese Werke konstruieren. Bei Karel Václav Rais wird dann die persönliche Freiheit der für die Bedürfnisse der Fabriken angestellten Fuhrleute in Frage gestellt. Allerdings hängt diese Unfreiheit eines Individuums mit der nationalistischen Perspektive zusammen - mit der deutschen Ethnizität der auf diese Weise negativ betrachteten Fuhrleute.

Schlüsselwörter: Fuhrleute - Postillions - Spediteure - das Bild der Fuhrleute in der Literatur - Nostalgie

 

Web vytvořilo studio Liquid Design, v případě potřeby navštivte stránku s technickými informacemi
design by Bedřich Vémola
TOPlist
Projektpartner:
Plzeňská filharmonie
Západočeská galerie v Plzni
Západočeské muzeum v Plzni

Veranstalter der Konferenzen:
Ústav dějin umění AV ČR
Ústav pro českou literaturu AV ČR
Ústav pro dějiny umění UK Praha
https://www.high-endrolex.com/6