Vojtěch Lahoda

Ein Einbürgerung des Kubismus: Kramářs Biedermeier

402–413 (tschechisch), Resumé S. 413–414 (deutsch)
Die These des Artikels geht aus der Denkart Vincenc Kramářs hervor, der als einer der markantesten Theoretiker und Historiker des Kubismus in Böhmen bekannt ist. Kramář verwendet in der Deutung des Kubismus in seinem Buch *Kubismus* (1921) Charakteristiken, die eben zur Beschreibung der Atmosphäre des Biedermeierinterieurs oder der Biedermeierintimität sehr gut passen würden. Verbindet man diese semantische Ausrichtung der Aussagen Kramäfs mit dessen eigenen, persönlichen Vorlieben für das 19. Jahrhundert als Kunsthistoriker und Sammler, aber auch mit seinen Privatvorlieben, d. h. mit seinem Privatleben, stellt man fest, daß es hier Berührungspunkte zu finden sind. Die Beschreibung der kubistischen Bilder Picassos als irgendeine „hausbackene Kunst" harmoniert mit seiner Vorliebe für die Kunst aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts und insbesondere dessen ersten Viertels. Der Aufsatz befaßt sich mit der Biedermeiersemantik in Kramářs Aussagen, kunsthistorischen Vorlieben und schließlich auch in persönlichem Leben, in seiner Bevorzugung der Familie und der Sanimiertätigkeit. Es geht mir darum, das Siegel des Biedermeier in Kramářs Auffassung des Kubismus, aber auch in seiner Sammlertätigkeit und im Leben zu erfassen. Diesen Zug der Einbürgerung des Kubismus unterstützt meiner Meinung nach auch die Art, wie Kramář Picasso gesammelt hat. Sie ist in Picassos eigenem Schaffen aus der Zeit des ersten Weltkriegs verankert, die für Picasso vom Gesichtspunkt des Familienlebens aus paradox zu den glücklichsten Etappen gehörte. Kramář konzentrierte sich in Picassos Werk der Jahre 1910–13 auf harmonisch ausklingende kubistische Kompositionen mit Betonung der spirituellen Ausstrahlung kleiner Dinge. Der größere Teil der Picassosammlung Kramářs drückte eben das harmonische Dasein, den „warmen Zufluchtsort", gewissen hauslichen und vertrauten Charakter aus. Es war sicher kein Zufall, daß Kramář als Kunsthistoriker sich für die Zeichnung einer Reihe österreichischer und deutscher Schöpfer des 18. und 19. Jahrhunderts interessierte. Unter ihnen befanden sich auch Vertreter des österreichischen und deutschen Biedermeier, z. B. Josef Höger, Franz Ender, Thomas Ender, Albert Zimmermann, Friedrich Gauermann, Lorenz Janscha oder Franz Steinfeld. Zu den kennzeichnendsten Äußerungen der Biedermeiermalerei gehört das Interesse an den Kindern und der Kinderwelt, die verständlicherweise der Kernpunkt des Familienlebens ist. Antonin Procházka malt für den Kubismus ziemlich ungewöhnliche Kindermotive, vor allem Madchen mit Puppen. Vorbilder dieser Arbeiten kann man sowohl in Henri Rousseau, als auch im Biedermeier erblicken. Der Kubismus ist hier in eine annehmbare dekorative Gestalt abgemildert. Er ist dem Gesetz der Zivilisierung untergeordnet, wörtlich domestiziert, damit das im Zimmer aufgehängte Bild eher die Behaglichkeit als Frustration aus der Zersetzung der Realität darstellen würde. Die Spuren des Biedermeier im Kubismus, sei es vermittels der Auffassung Kramářs oder direkt in den Werken Picassos und weiterer Protagonisten, weist meiner Meinung nach auf verschiedene Facetten dieses Stils hin. So wie die Produktion des Kubismus und dessen Deutungen nicht monolithisch sind, wie Kramář angedeutet hat, hat auch die Biedermeiermalerei eine Vielfalt von Ebenen und Komplikationen.
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